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Mensch Mahler | Die Podcast Kolumne

Früher war alles besser

Season 3, Ep. 285

240528PC Not lehrt beten

Mensch Mahler am 28.5.2024

 

Früher war alles besser. Da hat man sich noch umeinander gekümmert. In der Familie, in der Nachbarschaft in der Kommune, im Verein in der Kirche. Heute wächst die Zahl der Ein-Personen-Haushalte kontinuierlich weiter. Jeder für sich. Jede ist sich selbst die Nächste. Ich krieg das ganz allein hin. Hedonismus, Narzissmus, Selbstoptimierung. 

Ich sag ja nicht, dass das alles falsch ist. Und auch nicht, dass das früher alles funktioniert hat. 

Ein Beispiel mag verdeutlichen, was ich meine, wenn ich sage: Not lehrt beten. Not lehrt, füreinander da zu sein.

Ich hatte schon lange vor der Wende in den östlichen Bundesländern zu tun. In der Opposition war man sich einig. Der gemeinsame „Feind“ war klar ausgemacht. Ich habe das im Bereich Kirche erlebt. Theologische Unterschiede spielten so gut wie keine Rolle. Man war sich darin einig, dass man die Kirche insgesamt vor den Anfeindungen durch den Staat schützen müsse.

Auch in Sachen Nachbarschaftshilfe hat die Solidargemeinschaft so lange funktioniert, als es die Notwendigkeit dafür gab. Der Genossenschaftliche Gedanke wurde hochgehalten. Wozu in einem Straßenzug 15 Rasenmäher? 

Wir leben heute im Überfluss. Und meinen, die anderen nicht zu brauchen. Ein fataler Irrtum, wie es sich spätestens im Krankheitsfall oder im pflegebedürftigen Alter herausstellt.

Die entscheidende Frage ist: schaffen wir es, umzudenken, solange es noch nicht zu spät ist? Daran wird sich die Überlebensfähigkeit der solidarischen Gesellschaft entscheiden. 

Nein, früher war nicht alles besser. Aber manches hielt mehr zusammen als heute in einer auseinanderstrebenden Kultur. Wir brauchen eine Wende – hin zu dem oder der anderen. 

 

 


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  • 2108. Alte Gleise statt Wohnungen

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    240821PC Alte Gleise statt WohnungenMensch Mahler am 21.08.2024Einer der größten Trümpfe für den Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofes – unterirdisch – war die Schaffung eines neuen Wohnquartiers anstelle der alten Gleisanlagen. 5.800 Wohnungen sollen entstehen samt Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Geschäfte, Arztpraxen für mindestens 12.000 Menschen. Für die von chronischer Wohnungsnot gebeutelte Landeshauptstadt Baden-Württembergs ein reiner Segen.Ärger gab es reichlich. Aus ursprünglich geplanten 1,5 Milliarden Euro werden – Stand heute – wohl 12 Milliarden. Es gab und gibt Probleme mit dem Grundwasser. Mit dem Brandschutz und schließlich: Dier beiden geplanten Hauptgleise reichen wohl nicht für den Deutschlandtakt der Bahn aus. Baubeginn 2010, ursprüngliches Fertigstellungsdatum 2019. Stand heute: Dezember 2026. Das Milliardengrab Stuttgart 21 ist schon jetzt die Lachnummer der BRD und hat den Hauptstadtflughafen BER längst im Peinlichkeitsranking überholt.Jetzt schneit eine neue Hiobsbotschaft ins Haus: die Entwidmung und Entfernung der riesigen Gleisanlagen in der Stadtmitte und somit das größte Städtebauprojekt Stuttgarts steht durch ein neues Eisenbahngesetz in Frage. Seit der Gesetzesänderung von Ende vergangenen Jahres sind Bahnbetriebsflächen von "überragendem öffentlichen Interesse". Nur wenn andere Projekte dieses Interesse überwiegen, dürfen die Flächen entsprechend anders genutzt werden. Der Bund will damit verhindern, dass Flächen der Bahn, die später vielleicht doch noch gebraucht werden könnten, ohne weiteres verkauft und bebaut werden. Die Stadtverwaltung ist gelichwohl optimistisch. Die Gleisanlagen werden nicht mehr gebraucht und der Wohnungsbau ist von überragendem öffentlichem Interesse. Der wackere Schwabe kratzt sich dennoch am Kopf. Er dachte, die Umsiedlung von Bäumen wegen des artengeschützten Juchtenkäfers im Zuge der Baumaßnahmen sei der überragende Schildbürgerstreich gewesen. Und  man darf gespannt sein, was noch alles kommt und ob der Bahnhof jemals fertig sein wird. 
  • 2008. Die dunkle Seite von #MeToo

    01:56||Season 3, Ep. 2008
    240820PC Die dunkle Seite von #MeTooMensch Mahler am 20.08.2024„Wir müssen die Unschuldsvermutung wieder ernster nehmen“ fordert der Strafrechtsprofessor Tonio Walter. Hintergrund: „Falschbeschuldigungen im Sexualstrafrecht“ oder, wie Walter seinen Artikel im „Schweizer Monat“ überschrieb: „die dunkle Seite von #MeToo.“Das heißt: die Folgen der Reform des Sexualstrafrechts bewirkt, dass „Jede sexuelle Handlung gegen den Willen eines anderen zur Straftat wird, auch ohne körperlichen Widerstand.“ Das erhöhe die Gefahr von Verleumdungen.In Stuttgart gab es zwei Fälle von Verfahren gegen Polizeibeamte, die zunächst der Vergewaltigung bezichtigt wurden, aber dann nach Kamerabeweisen bzw. gründlichen Recherchen freigesprochen wurden. Im jüngsten Fall wurde die Verleumdung einer Polizistin gegen ihren Kollegen gar mit 8 Monaten Haft auf Bewährung bestraft.Inzwischen geht die Justiz in einem Drittel der Anzeigen wegen sexueller Nötigung von Verleumdungen bzw. Falschaussagen aus. Zu einem erheblichen Teil haben sich die vermeintlichen Opfer Verletzungen selbst beigebracht, um bei der ärztlichen Untersuchung eine Vergewaltigung nachzuweisen. Für die zu Unrecht Beschuldigten sind die Folgen gravierend: „Der soziale Tod tritt sofort ein“ sagt Walter. Geht die betreffende Person in Haft, steht sofort auf der untersten sozialen Stufe – oft ein Leben lang. Walter fordert, die Unschuldsvermutung wieder ernster zu nehmen. Polizisten, Richter und Staatsanwälte sollen zwar den Frauen mit Einfühlungsvermögen und Verständnis begegnen, aber auch alles ermitteln, was die Behauptungen erschüttern könne. Das sei keine frauenfeindliche Schikane, so Walter weiter. Glaubwürdigkeitsgutachten und Lügendetektor bedeuten zwar einen hohen Aufwand – aber der sei es allemal wert, um Fehlurteile zu verhindern.